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22. Dezember 2018. Deutschland besteht jetzt offiziell nicht mehr nur aus Männern und Frauen. Eine Gesetzesänderung ermöglicht nun eine dritte Option im Geburtenregister – und sie heißt „divers“. Sie ist für Menschen, die weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet sind.
In unserem Alltag waren diese Menschen bisher nicht vorgesehen. Heiraten, tindern, aufs Klo gehen – alles nur als Mann oder Frau möglich. Und was man ist, wird schon bei der Geburt festgelegt. Deshalb stellt die dritte Option eine Grundfeste unserer Gesellschaft infrage. Das finden wir gut.
Aber wie leben Menschen in einer Gesellschaft, die sie übergeht?
Wir, 18 junge Journalist*innen aus Berlin, sind auf dem Weg in eine Medienbranche, in der Menschen, die nicht ins binäre Geschlechtersystem passen, kaum vorkommen. Die persönlichen Geschichten von trans* und inter* Personen bleiben oft unerzählt. In einer gerechten Gesellschaft müssen aber alle sichtbar sein und die gleichen Chancen haben.
Deshalb gibt es nun „Divers*land“: Eine Plattform, auf der trans* und inter* Personen ihre Geschichten erzählen. Es ist das erste journalistische Projekt zur dritten Geschlechtsoption und wir wollen vor allem diejenigen erreichen, die sich bislang kaum mit der dritten Option beschäftigt haben. Denn es ist Zeit zu verstehen.
Zu verstehen, wie wenig sensibel unsere Gesellschaft noch ist, wenn es um das Geschlecht geht. Menschen, die nicht unseren Vorstellungen von Mann und Frau entsprechen, haben es schwer – vor dem Gesetz, bei der Arbeit, in der Freizeit. Oft sogar in der eigenen Familie. Die Geschichten bei „Divers*land“ erzählen von diesen Schwierigkeiten. Sie zeigen aber auch: Die dritte Option ist ein Anfang.
Für inter* Menschen bietet sie zum ersten Mal die Möglichkeit, einen eigenen Geschlechtseintrag zu erhalten. Trans* Personen müssen (Stand heute) keine teuren Gutachten mehr vorweisen, um ihren Geschlechtseintrag zu ändern. Die dritte Option zementiert aber auch Diskriminierungen: Trans* und inter* Personen müssen immer noch ein ärztliches Attest vorlegen, um ihren Eintrag ändern lassen zu können. Damit sind sie weiterhin der Willkür eines Systems ausgesetzt, das sie für krank erklärt. Und die dritte Option ändert auch nichts daran, dass bereits bei der Geburt entschieden wird, was jemand ist: männlich, weiblich oder divers. Geschlechtsidentität wird also weiterhin fremdbestimmt.
Auch unser Projekt kann diese Probleme nicht lösen, aber es kann sie sichtbar machen.
Die Menschen bei „Divers*land“ ermöglichen uns, ihre Kämpfe und Herausforderungen zu verstehen und daraus zu lernen. Wir begleiten sie in alltäglichen Situationen – und zwar mit dem Medium, das die größte Nähe herstellen kann: dem Smartphone. Als Erzählform haben wir uns für Instagram-Stories entschieden, damit Ihr die Geschichten verfolgen könnt, genau wie die von Euren Freund*innen.
Es ist eine Herausforderung, emotionale, intime Geschichten auf einer Plattform zu erzählen, die normalerweise für Fotos vom letzten Brunch oder dem neuen Outfit genutzt wird. Gleichzeitig hat „Divers*land“ als Instagram-Projekt eine große Chance: Wir bringen die Geschichten dahin, wo viele Menschen sie sehen und teilen können.
Es ist schwierig, diejenigen zu finden, die kaum sichtbar sind. Noch schwieriger ist es aber, Menschen zum Erzählen zu bringen, deren Geschichten bisher keine Beachtung fanden. Genau das wollen wir aber mit diesem Projekt erreichen.
Damit aus Deutschland ein diverses Land wird.
Team 24 der Axel Springer Akademie